Diabetes: lukrative Volkskrankheit
Immer mehr Menschen erkranken an Diabetes – und damit wächst auch der globale Markt für entsprechende Therapien. Heute macht er 120 Mrd. Dollar aus, bis 2030 dürfte dieser Markt auf fast 320 Mrd. Dollar anwachsen.
Bertrand Beauté
Für Investoren ist Diabetes ein sehr attraktiver Sektor», meint Marina Record, Investmentmanagerin im Health Innovation Team bei Baillie Gifford. «Das ist ein riesiger, stark wachsender Markt, der sich derzeit massiv verändert.» Und die Zahlen sind in der Tat schwindelerregend. Nach Angaben der International Diabetes Federation (IDF) hat sich die Zahl der Diabetiker weltweit in den letzten 40 Jahren verfünffacht: Zwischen 1980 und 2021 ist sie von 108 Millionen auf 537 Millionen angestiegen. Und das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange: An dieser Krankheit, die bei unzureichender Behandlung zu schweren Komplikationen (Herz-Kreislauf-, Nieren- und Augenerkrankungen) führen kann, werden bis 2030 voraussichtlich 643 Millionen Menschen leiden, bis 2045 werden es 783 Millionen sein.
«Die ganze Welt, einschliesslich der Schweiz, ist mit einer Diabetes-Epidemie konfrontiert», konstatiert Dr. Karim Gariani, Leiter der Abteilung für Diabetologie am Universitätsspital Genf. «Die Prävalenz dieser Krankheit nimmt überall zu.» Diabetes ist durch einen chronischen Überschuss an Blutzucker (Hyperglykämie) gekennzeichnet. Er tritt in zwei Hauptformen auf. Typ 2, der 90 Prozent der Fälle ausmacht, ist die Form, die am stärksten zunimmt, da diese Variante durch Übergewicht und Bewegungsmangel begünstigt wird. Bei fettleibigen Menschen ist das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, sechsmal höher als bei normalgewichtigen Menschen. «Um zu verhindern, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln, sollte man sich ausgewogen ernähren, seinen Body-Mass-Index (BMI) unter 25 halten und sich regelmässig körperlich betätigen», fährt Dr. Karim Gariani fort. «Leider fördert unsere sitzende Gesellschaft dies nicht, und die Prävalenz von Typ-2-Diabetes steigt weiter an.»
Gegen Typ-1-Diabetes gibt es hingegen keine vorbeugenden Massnahmen. Typ 1 ist eine Autoimmunkrankheit, deren Ursachen noch nicht vollständig geklärt sind. Sie tritt plötzlich auf, meist vor dem 20. Lebensjahr. Zwar steigt auch die Zahl der Typ-1-Diabetiker (etwa um 3 bis 4 Prozent pro Jahr), aber nicht so schnell wie die der Typ-2-Diabetiker.
«Es ist sehr spannend zu sehen, wie die neuesten Innovationen die Behandlung von Diabetes verändern werden»
Marina Record, Investmentmanagerin bei Baillie Gifford
«Diabetes ist unabhängig vom Typ eine chronische Krankheit, bei der die Patienten für den Rest ihres Lebens Medikamente einnehmen müssen», erinnert Arelis Agosto, Senior Healthcare Analyst bei Global X ETFs in New York. «In den USA zum Beispiel geben Diabetiker durchschnittlich 12’000 Dollar pro Jahr für ihre Behandlung aus.» Insgesamt ist der weltweite Diabetesmarkt derzeit 118 Mrd. Dollar pro Jahr schwer. Nach den Zahlen von Allied Market Research dürfte sich der Wert bis 2030 auf 317,9 Mrd. Dollar erhöhen, was einem jährlichen Wachstum von mehr als 10 Prozent entspräche.
«Das Wachstum des Weltmarkts wird von der steigenden Zahl der Erkrankten getragen, aber auch von Innovationen, die den Preis der Behandlungen nach oben treiben werden», erklärt Pierre Corby, Healthcare Equity Specialist bei der Union Bancaire Privée (UBP). «In den letzten Jahren sind neue Behandlungen und Geräte auf den Markt gekommen. Es wird erwartet, dass sie in Zukunft hohe Umsätze generieren.» Alle Experten sind sich einig, dass es im Diabetes-Management derzeit zwei grosse Revolutionen gibt: die Digitalisierung der Behandlung, vor allem für Typ-1-Patienten, und die Einführung neuer Wirkstoffklassen für Typ-2-Patienten. «Es kommen viele Veränderungen auf uns zu», bestätigt Marina Record. «Und es ist sehr spannend zu sehen, wie Innovationen das Management dieser Krankheit verändern werden.»