Werbung - ein lukratives Geschäft

Schon 2025 dürfte der weltweite Werbemarkt die symbolische Schwelle von einer Bio. Dollar Jahresumsatz überschreiten. Eine einträgliche Branche mit grossen Unterschieden.

Bertrand Beauté

Olympische Spiele in Paris, Fussball-Europameisterschaft und Präsidentschaftswahlen in den USA: Schon vor dem Jahreswechsel war klar, dass 2024 für den internationalen Werbemarkt sehr gewinnbringend sein würde. Nun dürfte dieser Markt sogar Rekorde brechen. Denn 2024 steigt der Umsatz der Branche voraussichtlich um 7,8 Prozent auf 989,8 Mrd. Dollar (ohne politische Werbung in den USA), so die neueste Prognose von GroupM (WPP), die im Juni 2024 veröffentlicht wurde. Und damit nicht genug: Die Werbebranche wird 2025 auch ohne grosse Sportanlässe weiterwachsen (+6,8 Prozent) und die symbolische Schwelle von einer Bio.. (1057 Mrd.) Dollar überschreiten. Statista bestätigt diese Prognose: Der weltweite Werbemarkt wird zwischen 2024 und 2029 jährlich um 4,81 Prozent wachsen und in diesem Zeitraum 1’361 Mrd. Dollar erreichen.

«Trotz der weltweiten geopolitischen und wirtschaftlichen Spannungen geht es den Werbeinvestitionen und dem Werbemarkt insgesamt gut», betont Olivier Lenne, Spezialist für Medien, Kultur, Tourismus und Freizeit sowie Partner bei der Pariser Beratungsfirma Bartle. Das ist umso erstaunlicher, als die Unternehmen in ungewissen Zeiten ihre Marketingausgaben eher zurückschrauben. «Früher wuchs die Werbebranche so schnell wie das weltweite Bruttoinlandsprodukt», erinnert sich Ludovic Labal, Portfoliomanager bei der Bank Eric Sturdza. «Das ist jedoch nicht mehr der Fall. Seit drei oder vier Jahren wächst sie schneller.»

 

«Auch wenn Sie die beste App und die besten Produkte zu den besten Preisen haben – ohne Werbung werden Sie heute nicht mehr wahrgenommen»

Humberto Nardiello, Equity Fund Manager bei DPAM

 

Für dieses robuste Wachstum gibt es mehrere Gründe, unter anderem die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft. «Um Kunden anzuziehen, reichte es früher, ein Geschäft in einer guten Strasse zu besitzen, das Qualitätsprodukte zu günstigen Preisen anbietet», fasst Humberto Nardiello, Equity Fund Manager bei DPAM, zusammen. «Der E-Commerce hat jedoch alles geändert. Auch wenn Sie die beste App und die besten Produkte zu den besten Preisen haben – ohne Werbung werden Sie heute nicht mehr wahrgenommen. Im digitalen Bereich geben Unternehmen daher 15 bis 20 Prozent ihres Umsatzes für Werbung aus, während es bei traditionellen Geschäften rund 5 Prozent waren. Der Umsatz der Werbebranche steigt, je mehr sich die Gesellschaft digitalisiert.»

Alan Mudie, Chief Investment Officer bei Woodman Asset Management, ist ebenfalls dieser Ansicht. Unternehmen müssen seiner Meinung nach einfach in Werbung investieren, um bekannt zu werden und Marktanteile zu halten. Zudem verändert sich die Werbebranche schnell, weil es immer neue Technologien gibt. «Diese Innovationen ziehen den Markt nach oben, wie derzeit die Integration der generativen künstlichen Intelligenz zeigt», betont Jean Meneveau, Partner bei Colombus Consulting Schweiz. «Mittelfristig rechnen wir mit einem moderaten, aber ansehnlichen jährlichen Wachstum des Werbemarktes, das bis 2026 durchschnittlich 5 bis 6 Prozent betragen dürfte», sagt Olivier Lenne von Bartle.

Ist jetzt also der richtige Zeitpunkt zu investieren? «Insgesamt geht es dem Werbemarkt gut, aber nicht alle Segmente profitieren von der günstigen Entwicklung», stellt Jean Meneveau fest. Das liegt daran, dass die Werbebranche nicht homogen ist. Es handelt sich um einen Kuchen von beachtlicher Grösse, der dem Bruttoinlandsprodukt der Schweiz entspricht. Und diesen Kuchen teilen sich sehr unterschiedliche Akteure. Einige Segmente wachsen, andere schrumpfen.

Grundsätzlich lässt sich der Werbemarkt in zwei Kategorien unterteilen: digitale Werbung, die 70 Prozent des Umsatzes ausmacht und merklich wächst, und nicht digitale Werbung. Deren Anteil nimmt jedoch seit den 2000er-Jahren ab. Dazu gehören Werbemassnahmen in Printmedien, im Fernsehen, im Radio, auf Plakatwänden und im Kino. So dürfte der Umsatz der Printmedien laut Bericht «This year, next year 2024», den GroupM im Juni veröffentlicht hat, im laufenden Jahr um 3 Prozent sinken, während der gesamte digitale Markt wohl um 10 Prozent zulegt.

«Nicht digitale Werbung wird nicht völlig verschwinden. Einige Werbetreibende halten an diesen Kanälen fest», meint Alan Mudie von Woodman Asset Management. «Dennoch verwandelt sie sich immer stärker in einen Nischenmarkt.» Die klassischen Akteure wandern vermehrt in den digitalen Bereich ab. Knapp 30 Prozent der Plakatwerbung beziehungsweise des Out-of-Home-Advertisings werden bereits auf digitalen Bildschirmen geschaltet. Deshalb ist zu erwarten, dass dieses Segment 2024 um 11,5 Prozent zulegt. Das gilt auch für das Fernsehen, das zunehmend vernetzt ist.

Ludovic Labal von der Bank Eric Sturdza bestätigt: «Die Werbelandschaft ist ständig 
in Bewegung. Einige Segmente entwickeln sich langsamer, andere schneller. Das lineare Fernsehen beispielsweise ist dem Untergang geweiht. Es gewinnt keine neuen Nutzer mehr, die Zuschauerzahlen sinken. Die meisten Kinder wissen nicht einmal mehr, wie man einen Fernseher bedient! Weniger Zuschauer bedeuten auch niedrigere Werbeeinnahmen. Gleichzeitig nimmt der Anteil des vernetzten Fernsehens, das sehr gezielte Werbung ermöglicht, deutlich zu.»

Für Jean Meneveau von Colombus Consulting Schweiz liegt darin die Herausforderung: «Der Anteil der nicht digitalen Werbeträger schrumpft derzeit, aber gleichzeitig erfinden sie sich neu. Sie gehen allmählich von der anonymen Offline-Werbung auf die gezieltere, weil personalisierbare Online-Werbung über. Sie sind noch nicht ganz so weit, aber es tut sich etwas.»

 

«Die Hälfte des Geldes, das ich für Werbung ausgebe, ist verschwendet. Leider weiss ich nicht, um welche Hälfte es sich dabei handelt»

Berühmtes Zitat, das dem Geschäftsmann John Wanamaker zugeschrieben wird

 

Im Vergleich zur analogen Werbung hat die digitale Werbung für die Werbetreibenden selbstverständlich grosse Vorteile. Im 19. Jahrhundert soll der Geschäftsmann John Wanamaker gescherzt haben: «Die Hälfte des Geldes, das ich für Werbung ausgebe, ist verschwendet. Leider weiss ich nicht, um welche Hälfte es sich dabei handelt.» Angesichts der Digitalisierung, der zur Verfügung stehenden Daten und der künstlichen Intelligenz verliert dieses berühmte Bonmot an Bedeutung. Denn Werbetreibende wissen heute recht genau, wie effizient ihre Kampagnen sind. Olivier Lenne meint: «Die Möglichkeiten der Erfolgskontrolle, Echtzeitaktualisierung, Zielgruppenansprache sowie ein sehr vielfältiges Angebotsspektrum machen Werbung heute zu einer vielversprechenden Investition für Werbetreibende.» 

Natürlich sind die Unternehmen, die am meisten davon profitieren, zweifellos die digitalen Giganten Alphabet (Google), Meta (Facebook, Instagram), Amazon, Douyin (TikTok) oder Baidu. «Die grossen Technologieunternehmen beherrschen den Werbemarkt und bauen ihn aus», lautet das Fazit von Ludovic Labal. Auch hier gilt jedoch, dass der Erfolg dieser Konzerne von ihren Nischen abhängt. So dürfte die Suchmaschinenwerbung (Search) bis 2024 nur um 5,3 Prozent wachsen, während die Werbung auf E-Commerce-Websites (Retail Media) voraussichtlich um 17,5 Prozent zulegt. «Derzeit ist Retail Media für alle spannend», fährt Ludovic Labal fort und ergänzt: «Point-of-Sale-Werbung ist sehr wirksam.» Im Jahr 2016 erzielte Amazon mehr als eine Mrd. Dollar Umsatz mit Werbung, 2023 waren es bereits 46,91 Mrd. Dollar.

Die Zukunft der Werbeagenturen, die die Kampagnen für ihre Kunden gestalten, ist ungewiss. Einige Experten meinen, Unternehmen wie Publicis (Frankreich), Omnicom (USA) oder WPP (Grossbritannien) würden verschwinden, da die künstliche Intelligenz ihre Arbeit, insbesondere den kreativen Teil, übernimmt. Andere sind der Ansicht, sie würden ihre zentrale Rolle behalten. Unabhängig davon dürfte die Werbebranche weiterhin für Gesprächsstoff sorgen und hohe Gewinne erzielen.